15 Jahre Tempelhofer Journal: kleine Geschichten und große Themen

Karl-Heinz Kronauer: Gründer und Chefredakteur vom Tempelhofer Journal © Dieter DüvelmeyerLokaljournalismus beschreibt, was vor der eigenen Haustür passiert, berichtet über Menschen aus dem Kiez und Politik aus dem Bezirk. Ist manchmal parteiisch ohne Parteipolitik zu machen. Ist neugierig und guckt hinter die Kulissen. Und ist immer dicht dran an den Menschen. Chefredakteur Karl-Heinz Kronauer weiß das seit 15 Jahren. Damals, im November 2003, gründete er das tempelhofer journal – (s)ein Magazin aus dem Kiez für den Kiez.

Kronauer, 1950 in Hessen geboren, war schon immer ein Hansdampf in allen Gassen. „Ich habe erst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht und als solcher gearbeitet. Dann habe ich eine Weiterbildung zum Betriebswirt gemacht und parallel dazu Abitur. Und während meines Studiums der Politischen Wissenschaften habe ich nebenbei als Verlagsvertreter gearbeitet.“

Später berät er Kunden, arbeitet als Controller, gründet sein eigenes Unternehmen und schreibt ein Buch. „Das hieß ‚Salute‘ und war der erste Kneipenführer, den es in Berlin gab.“ Schon damals, Ende der 1990er-Jahre, ist Kronauer in seinem Tempelhofer Kiez bestens vernetzt. Er lebt am Platz der Luftbrücke, ist viel unterwegs, kennt Gott und die Welt.

Aus dem Kiez für den Kiez

Karl-Heinz Kronauer: Gründer und Chefredakteur vom Tempelhofer Journal © Dieter DüvelmeyerSeine Visionen und Erfahrungen, sein Gespür für Themen, die bewegen, haben ihn und das tempelhofer journal auch durch schwierige Zeiten geführt.

Christoph Schröder, einer der Redakteure des tj, beschreibt es so: „Karl-Heinz ist der Macher, der Erfinder, der Antreiber, der Spiritus rector des Journals. Er hat trotz aller Widrigkeiten, die es mit sich bringt, solch eine Zeitschrift immer wieder zu stemmen, nie aufgegeben, sondern durchgehalten. Er ist ein Stehaufmännchen. Er hat beruflich, familiär und gesundheitlich eine Menge wegstecken und viele Brüche und Neuanfänge bewältigen müssen. Das imponiert mir. Dabei ist er immer guter Dinge und denkt positiv.“

Das tempelhofer journal ist kostenlos und erscheint alle zwei Monate in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Die ehrenamtlich arbeitende Redaktion besteht aus sieben sehr unterschiedlichen Menschen. Sie stehen für die Mischung des Magazins, das so die Vielfalt des Bezirks wiedergibt. Auch wenn nicht alle aus dem Journalismus kommen, ist ihnen eines gemeinsam: die Lust am Schreiben.

Über Kultur und Sport, über Wohnungspolitik und Kleingärten, über Tempelhofer Temperamente, Sportler und Künstlerinnen, über das Leben im Lokalen und über den bezirklichen Tellerrand hinaus.

Rechnen, recherchieren und redigieren

Tempelhofer Journal: Das Lokalmagazin aus dem Kiez für den Kiez © Dieter Düvelmeyer

Yvonne de Andrés, im echten Leben Bücherfrau und Pressesprecherin, ist seit Anfang 2018 dabei. „Mich haben die Geschichten von Menschen aus dem Bezirk angesprochen, der persönliche Blick auf die Dinge.“

Ein Jahr länger unterstützt Tobias Stahl das Journal. Der ehemalige Leiter einer sozialen Einrichtung im Bezirk findet es gut, dass lokale Themen kritisch, aber konstruktiv aufgegriffen werden. „Es ist wichtig, die Aufmerksamkeit für das scheinbar Kleine, das in Wirklichkeit ganz groß sein kann, zu schärfen, sozusagen lokale Schätze zu heben.“

Für die Hebung dieser lokalen Schätze ist auch Christoph Schröder zuständig. Der Saarländer lebt seit gut zehn Jahren im Kiez, schreibt und redigiert seit 2009 für das tj. „Wir bieten immer wieder interessanten Lesestoff, begleitet von starken Fotografien, zu bezirklich relevanten Themen.“

Seit fünf Jahren an Bord des Journals ist Ralf Jakob. Der gelernte Layouter, der viele Jahre für die Berliner Morgenpost gearbeitet hat, ist zuständig für Gestaltung, Satz und Produktion. „Als ich das Journal 2013 gesehen habe, gefiel mir das Format, aber nicht das Aussehen. Da habe ich mich angeboten, das zu verändern.“

Gemeinsam mit Marlies Königsberg plant Jakob die Struktur des 36-seitigen Heftes und legt fest, wohin die Anzeigen kommen, wo Platz für die Buchbesprechung ist und welche Seiten für das bei den Leserinnen und Lesern beliebte Kalenderblatt reserviert sind.

Wenn sich die Redaktion trifft, geht es oft hoch her: Leidenschaftlich wird darüber diskutiert, welches Thema sich als Titelgeschichte eignet, wer die Kolumne schreibt, woher die Bilder für die Beiträge kommen.

Bestimmt, bestimmend und gute Seele des Journals

Marlies Königsberg: Koordinatorin und langjährige Mitarbeiterin im Tempelhofer Journal © Dieter DüvelmeyerMarlies Königsberg hat schon im Vorfeld ausgerechnet, welche Geschichte wie lang werden darf. „Dein Artikel hat maximal eine Seite, also nicht mehr als 2.540 Zeichen. Inklusive Leerzeichen, versteht sich.“

Königsberg ist eine echte Berliner Pflanze: Mit großem Herzen und großer Klappe sorgt die 57-Jährige seit acht Jahren ehrenamtlich dafür, dass das Journal pünktlich und vollständig erscheint.

Sie versucht beste Bedingungen für die Schreiber*innen zu schaffen und kennt alle Kunden persönlich. Sie koordiniert die Anzeigen, führt die gesamte Korrespondenz des Magazins und ist eine begeisterte und begnadete Netzwerkerin. „Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen und versuche, alle einzubinden und zufriedenzustellen.“

Gesicher des Tempelhofer Journals: Marlies Königsberg und Karl-Heinz Kronauer © Dieter DüvelmeyerIn Zeiten, in denen andere Printprodukte um bezahlte Werbung kämpfen, verzeichnet das tj Anzeigenzuwachs. Inzwischen werben pro Ausgabe rund 50 Unternehmen, Einzelhändler und Dienstleister, einige davon bereits seit zehn Jahren.

Diese Kontinuität ist nicht nur den moderaten Preisen, sondern sicherlich auch der Kombination Karl-Heinz Kronauer/Marlies Königsberg zu verdanken. Gemeinsam bringen sie die frisch gedruckten Journale zu den Kunden, verteilen sie in den Geschäften, Restaurants, Kneipen und Bürgerämtern. Durch ihren unermüdlichen Einsatz haben sie das Magazin in den vergangenen Jahren weit nach vorne gebracht.

In den vergangenen Monaten hat sich Karl-Heinz Kronauer inhaltlich etwas zurückgezogen hat, um mehr Zeit für seine bürgerschaftliche Arbeit zu haben. Dass „sein Baby“ aber inzwischen eine feste journalistische Größe im Kiez ist, darauf ist der Chefredakteur sehr stolz.

Möge das tj auch in Zukunft für guten Lokaljournalismus stehen und ein Journal bleiben, das im Kiez zu Hause ist.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst im tempelhofer journal (06/18).