Neue Mitte in Alt-Tempelhof

Einerseits: eine Bibliothek, ein Park, ein Schwimmbad, eine Polizeistation, eine Kleingartenkolonie und viel Grün. Andererseits: marode Gebäude, die dringend saniert werden müssen, mehr Menschen und fehlende Wohnungen, kaum Kunst und Kultur. So sieht es aus in Tempelhofs altem Zentrum. Das hat auch die Politik erkannt und will etwas ändern.

Neue Mitte in Alt-Tempelhof - Senat plant GötzstraßenquartierIm Juni 2016 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine sogenannte vorbereitende Untersuchung für das Gebiet zwischen Götzstraße, Albrechtstraße, Parkstraße, Reinhardtstraße, Alt-Tempelhof und Germaniastraße in Auftrag gegeben.

Nach „§ 141 Baugesetzbuch wird die Senatsverwaltung prüfen, inwieweit für das Gebiet … ein integriertes Stadterneuerungsverfahren und der Einsatz von Städtebaufördermitteln möglich sind.“

Ziel, so der Senatsvorgabe, ist die „partizipative, partnerschaftlich getragene und sozialorientierte Gebietsentwicklung …, mit dem Ziel der Stärkung des Ortsteils Tempelhof und des Stadtteilzentrums Tempelhofer Damm.“

Ein Bezirk sucht sein Zentrum

Neue Mitte in Alt-Tempelhof - Senat plant Götzstraßenquartier rund ums RathausBeauftragt worden ist die Planergemeinschaft, die sich schon einmal mit dem Areal entlang des Tempelhofer Damm beschäftigt hat.

Denn die Überlegungen zur „Neuen Mitte Tempelhof“ sind nicht neu: Bereits 2007 hatte die Wirtschaftsförderung des Bezirks ein Geschäftsstraßenmanagement für den Tempelhofer Damm beauftragt.

Damals sollte die Straße in ihrer „Funktion als multifunktionales Stadtteilzentrum nachhaltig“ stabilisiert und gestärkt werden.

Ein besonderes Anliegen war „die Vernetzung der Akteure untereinander zur Stärkung der bestehenden Potenziale und zum Abbau bestehender Konflikte und Konkurrenzen.“

Zwar engagierten sich Einzelhändler, Geschäftstreibende, Unternehmer und Anwohner, und auch ein Straßenmagazin mit dazugehöriger Website wurde entwickelt, doch bei einer stark befahrenen Bundesstraße von einem Zentrum zu sprechen, war schon damals schwierig.

Und so passierte auf längere Sicht nichts.

2014 dann wurde laut über einen Ideenwettbewerb nachgedacht, um die Entwicklung am Te-Damm voranzubringen, doch die Umsetzung scheiterte am fehlenden Geld.

Und auch der Norden Tempelhofs stand im städtebaulichen Fokus: Es ging um die Bebauung des Tempelhofer Felds – bis ein Volksentscheid die Masterpläne von Senat und Bezirk im Frühsommer 2015 kippte.

Tempelhof hat viel zu bieten?

Neue Mitte in Alt-Tempelhof - Senat plant Götzstraßenquartier, zu dem auch der Franckepark gehörtBerlin weiß inzwischen, dass nichts geht, wenn die Bevölkerung nicht mitzieht. Deswegen hatten Senat und Bezirk Mitte Februar zu einer Anhörung eingeladen.

Dort stellte Udo Dittfurth von der Planergemeinschaft die Möglichkeiten für das 26 Hektar große Areal in Alt-Tempelhof vor: Polizei und Bibliothek, Bildung, Kultur, Gewerbe und Verwaltung könnten in einem Neubau auf dem Rathausplatz am Tempelhofer Damm untergebracht werden.

Die Kleingartenkolonien „Friede und Arbeit“ und „Germania“ an der Götzstraße sollen abgerissen werden.

Auf den freigewordenen Flächen sollen fünf- bis siebengeschossige Wohnhäuser mit 400 bis 500 Wohneinheiten entstehen.

Ein neues Schwimmbad soll näher am Sportplatz Richtung Felixstraße gebaut werden. Die Kolonie „Feldblume“ könne – mit wenigen Einschränkungen – bleiben, müsse sich aber für die Bevölkerung öffnen. Durch die Parks und Gartenanlagen sollen neue Wege führen, um sogenannte Angsträume abzuschaffen.

Konkretere Vorstellungen hatten viele der rund 200 Anwesenden bei der Anhörung: vom Wochenmarkt auf dem Reinhardtplatz über ein Programmkino und kleine Lokale bis hin zu verlängerten Schwimmbadzeiten und bezahlbaren kleineren Wohnungen.

„Wenn ich mir die Miete für eine kleinere Wohnung leisten könnte, würde ich meine große Wohnung für eine junge Familie freimachen“, sagte eine ältere Tempelhoferin.

Wer soll das bezahlen?

Neue Mitte in Alt-Tempelhof - Senat plant Götzstraßenquartier. Dazu muss auch die Bezirksbibliothek saniert werden oder umziehen.Auf die Frage, woher das Geld für den geplanten Um- und Neubau kommen soll, musste Joachim Sichter, Referatsleiter in Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen, weitgehend passen.

Klar sei, dass für die bezirklichen Kultureinrichtungen der Bezirk aufkommen müsse.

„Aber für die eigentlichen Bautätigkeiten müssten die jeweiligen Bauherren bezahlen, z.B. die Bäderbetriebe. Unsere Kunst ist es, das alles zu koordinieren.“

Einen Lichtblick gebe es aber: „Wenn wir ein Fördergebiet werden, können wir für die ein oder andere Maßnahme auf Fördermittel zurückgreifen, die sonst nicht zur Verfügung stehen.“

Wie geht es weiter?

Neue Mitte in Alt-Tempelhof - Senat plant Götzstraßenquartier. Das Schwimmbad ist sanierungsbedürftigEinerseits haben also die Voruntersuchungen begonnen. Bis Anfang März konnten die Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen für das Untersuchungsgebiet rund ums Rathaus per Mail abgeben.

Die Vorschläge werden jetzt geprüft und in die bisherige Planung eingearbeitet. Voraussichtlich im Mai oder Juni wird es eine weitere öffentliche Anhörung geben.

Anschließend werden die Ergebnisse dem Senat vorgestellt, der bis Ende dieses Jahres das weitere Vorgehen beschließt.

Erst dann beginnt der eigentliche Planungsprozess mit Konzepten und Bebauungsplänen. Oltmann, Sichter und die Planergemeinschaft hoffen, dass es in spätestens drei Jahren richtig losgehen kann.

Andererseits bleiben noch viele Fragen offen: Wie sozial verträglich werden die Mieten tatsächlich sein? Der häufig genannte Wert zwischen 6,25 und acht Euro netto kalt ist für Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen nicht einfach zu stemmen.

Doch für niedrigere Mieten seien die Baukosten zu hoch, gibt Jörn Oltmann zu bedenken. Werden die Bäderbetriebe mitziehen und ein neues Stadtbad bauen, das auch länger geöffnet hat als das alte? Was soll an Kultur und Freizeitmöglichkeiten kommen?

Genug Stoff also für die kommenden Jahren, damit in Alt-Tempelhof nicht nur eine neue, sondern vor allem eine lebendige Mitte entsteht.

Weitere Informationen finden Sie auf der Bezirksseite

Dieser Beitrag erschien zuerst im März 2017 im Tempelhofer Journal.

© Alle Fotos: Katrin Schwahlen