Vor dem Frauenmärz ist nach dem Frauenmärz

Zwischen Partei und Politik

Vor dem Frauenmärz ist nach dem Frauenmärz © Ellen PaschillerFrauenmärz – das ist DIE Veranstaltungsreihe von Frauen für Frauen in Tempelhof-Schöneberg. Einen Monat lang geht es um Kunst und Kultur, Politik und Privates, um Themen, die Frauen interessieren. 32 Jahre lang hat das ziemlich gut funktioniert. Doch im Vorfeld des kommenden Frauenmärzes hat es hinter den Kulissen einigen parteipolitischen Unmut gegeben.

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist der Frauenmärz Tempelhof-Schöneberg ein Garant für Erfolg. Organisiert wird die Reihe von Ute Knarr-Herriger von der dezentralen Kulturarbeit des Bezirksamts. „Sie macht wunderbare Arbeit und reißt sich ein Bein aus, um den Frauenmärz auf die Beine zu stellen“, lobt die SPD. Für die Linken ist der Frauenmärz ein Vorzeigeprojekt des Bezirks, die Grünen schätzen Knarr-Herriger für ihr großes Engagement.

Trotzdem gibt es Kritik, und die richtet sich vor allem und nicht zum ersten Mal an Jutta Kaddatz, die verantwortliche Bezirksstadträtin. Die 65-jährige CDU-Frau steht seit 2011 an der Spitze des Ressorts für Bildung, Kultur und Soziales und ist seitdem auch für den Frauenmärz verantwortlich.

Bemängelt wird, dass die Themen des Frauenmärzes zu beliebig seien, die Kommunikation intransparent, die Inhalte oft zu künstlerisch, das Ganze zu CDU-lastig, zu wenig politisch und zu wenig frauenfördernd. SPD, Linke und Grüne fühlen sich inhaltlich nicht genügend eingebunden und beantragten im vergangenen April in der BVV „eine Arbeitsgruppe einzurichten, an der die Fraktionen beteiligt werden.“

Bis November 2017 sollte diese Arbeitsgruppe „ein Motto für den Frauenmärz küren, dass eine frauen- oder gleichstellungspolitische Aussage enthält. Eine weitere Aufgabe ist, Vorschläge für Veranstaltungen im Frauenmärzprogramm, die den Inhalt des Mottos widerspiegeln, anzuregen und zudem Vorschläge für eine Festrednerin für die Eröffnungsveranstaltung zu machen.“

Die Rolle der Frau

Jutta Kaddatz, Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Soziales in Tempelhof-Schöneberg, eröffnet den Frauenmärz 2017 © Ellen PaschillerAuslöser für diesen Antrag ist das Frauenmärz-Thema 2017 „Mutter Mut Mutterschaft … Mutter schafft?!“ Manuela Harling, für die SPD in der BVV und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion findet, „dieses Thema hat sich nicht in den Veranstaltungen wiedergefunden. Nichts zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nichts zu gesundheitlichen Aspekten von Müttern. Nichts zum Internationalen Frauentag oder zum Equal Pay Day.“

Kritik am Mutterthema und der grafischen Umsetzung kam auch von den Linken: Eine Frau mit Lockenwicklern und Kittelschürze sei kein aktuelles Frauenbild, sondern ein Klischee der 1950er- und 60-Jahre.

Jutta Kaddatz sieht das anders. „Das Plakat sollte persiflieren. Mutter kann alles, sie kann kochen, sie kann Kinder beaufsichtigen, sie ist schick angezogen, geschminkt, sie geht in den Beruf, sie ist immer toll, sie ist immer präsent. Diese künstlerische, ironische Aufbereitung ist offenbar nicht verstanden worden.“

Von Frauen auch für Männer?

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Beteiligung von Männern als Veranstalter oder bei Diskussionen. Für Manuela Harling ist klar: „Der Frauenmärz ist eine Veranstaltung von Frauen für Frauen. Es hat niemand etwas dagegen, dass Männer Zuschauer sind, aber auf dem Podium müssen wir nicht das weiterführen, was wir tagtäglich im Fernsehen sehen.“

Auch hier ist Jutta Kaddatz anderer Meinung: „Ich bin frauenpolitisch bewegt im Sinne wirklicher Gleichstellung. Also nicht einseitige Bevorzugung eines Geschlechtes. Von daher halte ich diesen Anspruch, ausschließlich von Frauen für Frauen ein frauenpolitisches Thema aufzubereiten für überholt.“

Frauenpower nutzen

In den vergangenen Jahren wurden viele Veranstaltungen während des Frauenmärzes von Fraueninitiativen aus dem Bezirk bestritten. In direkten Absprachen mit der dezentralen Kulturarbeit wurde die Teilnahme geregelt. Die neue Arbeitsgruppe möchte diesen Prozess transparenter machen. „Wenn man die Ansprechpartnerin im Bezirksamt kennt, ist es einfach, beim Frauenmärz mitzumachen“, stellt Frau Harling fest. Wer aber neu sei, finde auf den Webseiten des Bezirks keine Informationen und habe keine Chance teilzunehmen. „Es gibt so viel frauenpolitisches Know-how im Bezirk, das man einbeziehen kann. Wir sind davon ausgegangen, dass auch die Frauengruppen in der Arbeitsgruppe vertreten sind. Tatsächlich aber besteht diese nur aus Fraktionsmitgliedern und Frau Kaddatz.“

Bisher hat die Arbeitsgruppe zwei Mal getagt und das Motto für März 2018 festgelegt: 100 Jahre Frauenwahlrecht. Dieses Thema soll sich durch möglichst alle Einzelveranstaltungen ziehen, nicht als historische Abhandlung, sondern zukunftsweisend für die Gleichstellung. Eröffnet wird die Reihe am 2. März wie immer im Gemeinschaftshaus in der Lichtenrader Barnetstraße. Nach einer Rednerin für die Auftaktveranstaltung wird noch gesucht. Für Mitte Januar ist ein drittes Treffen geplant, um die Einzelheiten festzulegen.

Bis Anfang des Monats war noch unklar, nach welchen Kriterien interessierte Frauengruppen teilnehmen können. Noch findet man online keine Informationen. Einzig in der Dezember-BVV weist die eine Drucksache auf den Programmschluss hin. Deswegen sieht die Arbeitsgruppe auch bei der Kommunikation Handlungsbedarf.

Jutta Kaddatz hat sich ebenfalls Gedanken dazu gemacht: „Anscheinend findet eine Art Generationenwechsel statt. Zukünftig werden wir den Frauenmärz wahrscheinlich anders strukturieren und auch die Anforderungen und Kriterien neu benennen.“ Damit es dann wieder heißt: Nach dem Frauenmärz ist vor dem Frauenmärz.

Alle Fotos: © Ellen Paschiller, lemon pix photography

 

Dieser Text erschien im September 2017  im Tempelhofer Journal.